«Anna, glaubst du, dass dir weniger schlimme Sachen passieren, weil du betest?» Als kirchliche Jugendarbeiterin höre ich immer wieder neugierige und kritische Fragen. Aber schon lange nicht mehr hat mich eine Frage so herausgefordert, wie diese.
«Ja», könnte ich sagen. Ich habe schon erlebt, dass ich haarscharf an einer Querschnittslähmung vorbeigeschlittert bin. Und ich glaube, dass mich Gott vor dieser beschützt hat. Aber der clevere Teenie würde nachher garantiert sagen, «Und was ist mit all denen, die gelähmt im Rollstuhl sitzen, obwohl sie gebetet haben. Wie wäre es denn mit «Jein, ich glaube nicht, dass Gott mich vor schlimmen Sachen beschützt, aber ich glaube, dass er mir hilft, dass ich damit umgehen kann, wenn sie passieren.» Schon ein bisschen besser. Aber damit degradiere ich jedes Gebet zu einem reinen Placebo. Ich traue Gott nicht zu, dass er wirklich etwas verhindern kann.
Erklärungsversuche
Es gibt ganz viele theologische Erklärungsversuche für diese Frage. Die einen finde ich sinnvoller als die anderen. Meine ehrlichste Antwort ist aber, «Ja, ich glaube, dass Gott manchmal eingreift und mich vor schlimmen Sachen bewahrt. Dass er es aber nicht immer macht. Bei mir nicht und auch bei anderen nicht. Wieso er es nicht immer macht, weiss ich nicht.» Diesen Satz sage ich nicht so gerne. «Ich weiss es nicht.» Das klingt, als hätte ich mir keine Gedanken gemacht. Als würde ich blind darauf losglauben.
Dabei sage ich das ja auch häufig, wenn es ums Verhalten meiner Freundinnen und Freunde geht. Ich weiss nicht, wieso Petra aus dem Nichts ihren Job gekündigt hat. Aber ich kenne sie. Ich weiss, dass sie ihre Gründe hat. Ich weiss nicht, wieso Can sich aus dem Nichts von seiner langjährigen Freundin getrennt hat. Aber ich kenne ihn. Ich weiss, dass da eine Geschichte dahintersteckt.
Die Frage «Glaube ich, dass Gott mich vor schlechten Sachen beschützen kann» ist deshalb für mich keine philosophische Frage. Es ist eine Beziehungsfrage. Es ist die Frage «Entspricht das dieser Art und Weise, wie ich Gott bis jetzt kennengelernt habe».