Von Bensch Sager
Der Philosoph Charles Taylor argumentiert, dass durch die Aufklärung unser Alltag entmystifiziert wurde. Früher war die Pest eine Strafe von Gott und heute ist es eher ein Problem der Massentierhaltung. Dass wir Cumulus-Wolke heutzutage nicht mehr als Haus des Zeus identifizieren, finde ich zwar gut.
Doch das Problem der Entmystifizierung ist, dass unser Alltag zunehmend von Sinn und Berufung entleert wird. Laut einer Gallup-Studie empfinden viele Menschen ihren Berufsalltag als recht sinnlos. Es scheint vielmehr sinnvoll zu sein, wenn man ein super-soziales Start-up gründet oder ein Kind aus einem brennenden Haus rettet.
Berufung und Sinn beginnen aus meiner Sicht aber mitten im Alltag. Zum Beispiel mit dem Überdenken deiner Morgen- oder Abendroutine. Egal wo du zuhause bist, ob in Papua-Neuguinea oder Zürich: Überall besteht der grösste Teil unseres Lebens aus automatisierten Abläufen. Wie wir unseren Alltag gestalten, bestimmt darüber wie wir unser Leben gestalten.
Darum ist ein guter Anfang einer Berufungs- oder Sinnsuche nicht unbedingt den Job zu kündigen und ein Start-up zu gründen, sondern eher die eigene Alltagsroutine zu überdenken. Zum Beispiel indem ich mich frage, ob es mich meiner Berufung oder meinem Lebenssinn näherbringt, wenn ich als erste Tageshandlung mein Smartphone checke.