Von Manuel Rohner
Unsere Gesellschaft ist leistungsorientiert. Ob in der Wirtschaft, der Politik, im Sport; Leistung ist gefragt! Wie ist das eigentlich bei Gott? Bei Gott müsste dies ja wohl anders sein. Ein Blick in die Bibel zeigt allerdings, dass Leistung nicht nur in der säkularen Gesellschaft gefordert ist. Sie gehört anscheinend auch zum Leben mit Gott!
Schon im Paradies gibt Gott dem Menschen den Auftrag, die Erde zu hegen und zu pflegen. Oder Jesus gibt seinen Nachfolgern die Mission, die Erde mit dem Evangelium zu durchdringen. In der Bibel wird also deutlich: Leistung scheint durchaus ein göttliches Prinzip zu sein. Ein paar Tausend Jahre später prägen jedoch Begriffe wie Workaholic, Burn-out und Work-Life-Balance unsere Gesellschaft. Irgendwie haben wir wohl etwas falsch verstanden … doch was?
«Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.» (1. Korinther 15,10)
Mit diesem Vers gibt Paulus noch einen obendrauf. Bescheidenheit tönt für uns Schweizer anders … Um die vermeintlich angeberische Aussage von Paulus zu verstehen, muss ich das Wort Gnade verstehen. Gnade hat viele Bedeutungsformen. In dem erwähnten Vers betont sie vor allem die Gunst oder den persönlichen Gunsterweis Gottes. Und diese Gunst Gottes hat und will eine Wirkung haben.
Die Wirkung der Gnade Einerseits hat sie Paulus freigekauft von der Schuld und ihn versöhnt mit Gott. Es geht also um die Wirksamkeit, welche im Tod und der Auferstehung von Jesus Christus seinen sichtbaren Ausdruck findet und sich auf das ewige Leben bezieht. Andererseits hat ihn das Erfahren der Gunst Gottes zum Apostel werden lassen («Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.»). Die Wirkung zielt also auch auf das Leben im Hier und Jetzt und nicht nur auf die Ewigkeit. Und diese Wirkung war bei Paulus gewaltig: vom Saulus zum Paulus. Vom Verfolger der Kirche zu ihrem grössten Verfechter. Vom Religionsfanatiker zum Glaubensförderer. Seine Wandlung hat mit dem Wirkenlassen der Gnade zu tun. Paulus wird nicht müde zu sagen, was der Kern seiner Identität sowie seiner hohen Leistungs- und Leidensfähigkeit ist: Es ist die Gnade Gottes. Sie hat bei Paulus ihre Wirkung also nicht verfehlt! Und bei uns?
Gott bejaht das Tun
In unserer Leistungsgesellschaft bringen wir vieles auf die Reihe. Gott hat den Menschen mit der Fähigkeit geschaffen, etwas zu bewegen, etwas zu formen, etwas zu kreieren. Gott selbst bejaht das Tun, das Aktivsein, das Arbeiten. Es ist Teil der Schöpfungsordnung und gibt dem Menschen Würde und Identität.
Letztlich muss jeder für sich selber klären, was die eigene Grundmotivation im Leben ist, mit welcher Haltung man leistet und aktiv ist. Es geht nicht darum, mein eigenes Tun aufzulösen. Denn Begnadete sind immer auch Wirkende; ansonsten habe ich die Gnade nicht verstanden. Es geht aber letztlich um das Bewusstsein, dass alles, was ich kann und bin durch Gott ermöglicht wird und dass (bedingt durch den Sündenfall) ich in der Gefahr stehe, dies zu vergessen und losgelöst vom Schöpfer zu leisten. Sei dies am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Kirche oder im Sport!