Der Psychotherapeut und Theologe Daniel Zwicker spricht in Bezug auf unser Land von einer Schuldkultur, wohingegen im Orient eine Schamkultur vorherrscht.
Die grosse Frage im Mittelalter war, wie die Menschen einen vergebenden Gott bekommen. Wie mache ich die Dinge richtig? Wie kann ich ohne Fehler sein?
In einer Schamkultur geht es hingegen darum, wie Ehre und Würde wiederhergestellt werden. Im Alten Testament sei eine der grössten Sünden, den Ruf eines anderen Menschen zu zerstören, erklärt Zwicker. Als Schattenseite kommt es in einem solchen Kontext schnell zu einer Rachekultur.
Gewisse Soziologen weisen darauf hin, dass sich unsere westliche Schuldkultur mehr und mehr zu einer Schamkultur entwickelt. Zwicker spricht von einem Leistungs- und Optimierungswahn, wo alles perfekt sein muss. Wenn wir Ziele nicht erreichen, ist das beschämend.
Wie können wir mit Schuld und Scham umgehen? «Sich ihnen stellen. Nur wer sich achtet, kann Scham und Schuld wirklich eingestehen. Einen Weg finden, um sozial verträglich damit umzugehen», rät Zwicker.
Scham ist aber auch ein Schutzfaktor. Denn jegliche Hemmungen zu verlieren ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Dann kann es sogar so weit kommen, dass man Schamgefühle wieder ein Stück weit lernen muss.
Wenn uns etwas peinlich ist und uns Mühe bereit, können wir an unserer Persönlichkeit reifen, ist Daniel Zwicker überzeugt. Wir können uns fragen, was wir brauchen und was uns hilft, damit wir uns weiterentwickeln können. Und unter Umständen brauchen wir dabei Hilfe von aussen.