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Wer fromm sein will, muss anpacken

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Der Bibeltext in dieser Episode ist Jakobus 1,27: «Witwen und Waisen in ihrer Not zu helfen und sich vom gottlosen Treiben dieser Welt nicht verführen zu lassen – das ist wirkliche Frömmigkeit, mit der man Gott, dem Vater, dient.»

«Du bisch e richtige Frömmler»: Dieses Label hat Host Joni Merz schon ein paarmal verpasst bekommen. Doch was bedeutet «fromm sein» eigentlich? Und wie beschreibt die Bibel einen frommen Menschen?

Gemeinsam mit Linus Walder und Deborah Andrist sucht unser Host nach Antworten. Dabei wird schnell klar: Wer wirklich fromm ist, der ist vor allem ausserhalb der Kirchenmauern zu finden.

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Expertinnen und Experten
Linus Walder ist Theologiestudent an der Universität Zürich. Ihn fasziniert die Tiefe, die Aktualität und die Vielschichtigkeit der Bibel. Gerade im Austausch mit anderen kommen die vielfältigen Facetten der Bibel zum Vorschein.
Linus engagiert sich im Cevi und in der Jugendarbeit der reformierten Kirche Hinwil, weil ihm junge Menschen am Herzen liegen. In seiner Freizeit liest er, sitzt auf dem Rennvelo oder macht Musik.

Deborah Andrist studiert Theologie an der Universität Zürich. Sie liebt es, Menschen zu begegnen und mit ihnen über Gott und die Welt nachzudenken. Wenn sie nicht gerade in theologische Diskussionen vertieft ist, backt sie gerne Gipfeli oder engagiert sich in Kinder- und Jugendcamps. Sie kennt und schätzt verschiedene kirchliche Traditionen, wobei sie insbesondere unterschiedliche Arten von Gemeinschaft faszinieren. Sie ist verheiratet mit David und wohnt in Winterthur.

Host
Joni Merz

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Pfarrer Markus Giger steht seit mehr als 30 Jahren jungen Menschen in der Seelsorge bei. Doch bei allen Erfolgen begleitete Giger auch sehr viele Menschen, bei denen es kein Happy End gab.

Auch Eva Samoylenko-Niederer aus Wädenswil kennt dramatische Erfahrungen. Sie leitet seit 2006 ein Kinderheim in der Stadt Slowjansk. Im Ukraine-Krieg ist das Heim nun zerstört worden – und das schon zum zweiten Mal nach 2014.

Michael Bischoff stellt uns das FENSTER ZUM SONNTAG-Magazin «Wenn Gott nicht eingreift» vor.

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Der 1. März ist Weltgebetstag. An diesem Tag richtet sich der Fokus der Kirchen weltweit auf das Gebet.

Wir stellen euch den Weltgebetstag vor, reden darüber, was das Gebet uns alles Gutes bringt, und was uns alles beim Beten helfen kann.

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Der Bibeltext in dieser Episode ist Jakobus 5,16: «Darum sollt ihr einander eure Sünden bekennen und füreinander beten, damit ihr geheilt werdet. Denn das Gebet eines Menschen, der unbeirrt glaubt, hat grosse Kraft.»

Zugegeben, es klingt etwas altmodisch, wenn Jakobus hier zu einem Schuldbekenntnis aufruft. Die eigenen Sünden, Verfehlungen zu erkennen und dann noch zu benennen, ist zudem eher unpopulär und schambehaftet. Und wenn die Schuld dann noch mit einer ausbleibenden Heilung in Verbindung stehen könnte, dann wird eine weitere Erklärung fällig.

Genau danach sucht Host Joni Merz mit seinen zwei Gästen, Thomas Zingg und Mirjam Merz. Die drei tauschen über ihre Empfindungen aus, ordnen den Text von Jakobus ein und landen am Schluss bei einer ganz persönlichen Erfahrung.

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Expertinnen und Experten
Thomas Zingg ist Pastor der FEG Winterthur und dort Teil der Gemeindeleitung. Ausserdem engagiert er sich im Vorstand der Evangelischen Allianz Winterthur. Nebenbei unterrichtet er das Modul «Mein Leitungsstil» am IGW und studiert Theologie im Master-Studiengang. Thomas ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine Freizeit verbringt er gerne mit der Familie, beim Lesen oder beim Sport treiben (und schauen).

Mirjam Merz ist Pastorin in der FEG Winterthur. Sie predigt, leitet die Gebetsarbeit und die kreativen Bereiche der Kirche. Sie liebt gute Gemeinschaft, eine Tasse feinen Kaffee oder den Duft von frisch geschliffenem Holz. In ihrer Freizeit restauriert sie ab und an ein Möbelstück oder verschönert die kleinen Dinge des Lebens. Drei Stichworte, die zu ihr passen: kreativ, authentisch, tiefgründig. Mirjam ist verheiratet, hat zwei Kinder und hat am Theologisch Diakonischen Seminar Aarau studiert. Zudem hat sie an der SAMTS eine Ausbildung zur Schauspielerin absolviert.

Host
Joni Merz

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Anna Näf ist reformierte Pfarrerin. Sie wuchs als Tochter eines Pfarrers auf, bekam aber von ihren Eltern den Freiraum, den christlichen Glauben für sich selbst zu entdecken.

Dies tat sie dann auch. In ihrem Theologiestudium hatte sie gefühlt alle zwei Wochen eine Glaubenskrise. Näf war entsprechend froh, dass sie in einem guten Umfeld war.

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Von Markus Hänni

Markus Hänni leidet an Cystischer Fibrose (CF*), eine unheilbare Krankheit, die sein Leben bestimmt und ihm schon viel Leid, Zweifel und Ängste durchleben liess. Trotzdem möchte er im Leben den Fokus nicht auf seine Krisen legen, sondern auf den Glauben und die Möglichkeiten, die sich durch den Umgang mit Zweifeln eröffnen. Eine belebende Entdeckungsreise durch Glaubensstärke und Überwindung – geprägt durch die persönlichen Erfahrungen mit Leid.

Die Herausforderungen des Lebens können uns oft an den Rand unserer Kräfte bringen. Als jemand, der mit der chronischen Krankheit CF lebt, habe ich Dunkelheit und Leid auf eine Weise erlebt, die viele nicht verstehen können. Mein Leid manifestiert sich in zahlreichen Entbehrungen von vermeintlich Selbstverständlichem, wie im Ringen nach Atem und im schmerzhaften Abschiednehmen von Freunden. Das Wort «Leid» verwende ich im Bewusstsein, dass es Menschen gibt, die es viel härter haben als ich, deren Leiden ich nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen annähernd nachvollziehen könnte.

Die CF führte dazu, dass ich viel Zeit im Krankenhaus verbrachte. Diese Erfahrung hat mir klargemacht, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, am Leben teilzuhaben. Während meiner Zeit im Krankenhaus fühlte es sich oft an, als stünde ich auf dem Pannenstreifen des Lebens, während andere scheinbar mühelos an mir vorbeizogen, ihr Fahrtwind quälend spürbar. Doch mit der Zeit erkannte ich die verborgenen Vorteile dieses vermeintlichen Stillstands. Es wurde mir klar, wie wertvoll es unter anderem ist, ortsunabhängig sein zu können und die «Ruhe» des kahlen Patientenzimmers für meine eigenen Gedanken und Kreativität zu nutzen. An einem einfachen Esstischlein, ohne jeglichen Schnickschnack wie eine Tischlampe im Vintage-Stil oder einen Designerstuhl, fand ich den Raum, um zu schreiben und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Prinzip «weniger ist mehr» erwies sich als befreiend und lehrte mich, mich auf das Wesentliche zu fokussieren. Die Zeit, die ich alleine verbrachte, ermöglichte es mir, tiefgründig nachzudenken und zu reflektieren, Energie zu tanken und geistige Kreativität zu entfalten. Bis heute schaffe ich mir solche Momente der Ruhe und Besinnung und entfliehe dem täglichen Stress und den Ablenkungen des Konsums.

Jeden Abend, wenn ich den Tag Revue passieren lasse, erfüllt mich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Wenn ich den Tag hindurch aktiv sein konnte, bedeutet das, dass meine Gesundheit ausreichte, um produktiv zu sein und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Aus meinen Erfahrungen heraus weiss ich, wie wertvoll und eben nicht selbstverständlich dies ist. Dieses Bewusstsein unterstreicht die Bedeutung von Gesundheit, die oft als selbstverständlich angesehen und daher unterschätzt wird. Allerdings habe ich auch erkannt, dass wir uns oft zu stark durch unsere Gesundheit definieren lassen. Faktoren wie unser Wertesystem oder das Streben nach Perfektion beeinflussen uns dabei. Ironischerweise sind es jedoch gerade unsere Schwächen, die uns als Menschen ausmachen und uns Stärke verleihen.

Obwohl meine Krankheit meinen Körper schwächt, hat sie meine zwischenmenschlichen Beziehungen gestärkt. Unter diesem Aspekt erscheint die gängige Annahme, dass «Gesundheit das Wertvollste ist», in einem anderen Licht. Warum sind Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten oft glücklicher? Liegt es daran, dass das Bewusstsein für die eigene Gesundheit oft fehlt? Dankbarkeit und das Überdenken von ethischen und moralischen Massstäben sind hier mitentscheidend. Vielleicht ist es wertvoller, eine Vision im Leben sowie Frieden und Freude zu haben, als gesund zu sein und ein Leben ohne Freude und Frieden zu führen.

Ich möchte den Fokus nicht auf das Durchleben meiner Krisen legen, die oft von Krankheit, Ängsten und Perspektivenlosigkeit gezeichnet waren. Stattdessen möchte ich den Blick auf unseren «hilfsbedürftigen» Glauben richten und die Möglichkeiten erkunden, die sich durch unser Zweifeln eröffnen.

Sich mutig den eigenen Zweifeln stellen
Zweifel ist ein zentrales Thema, das in unserer leistungsorientierten und nach Selbstoptimierung strebenden Gesellschaft oft zu kurz kommt. Tatsächlich kann Zweifel sowohl lebensrettend als auch heilsam sein. Es wäre ein Fehler, ihn einfach zu verdrängen oder aufgrund falscher Hemmungen stillschweigend mittragen zu müssen. Jede und jeder von uns ist dazu aufgerufen, sich mit den eigenen Zweifeln auseinanderzusetzen und sie gegebenenfalls auch in die Schranken zu weisen, um ihnen nicht die Hauptrolle im Leben zu überlassen.

Der Duden definiert Zweifel als Bedenken, ob jemandem, jemandes Äusserung zu glauben ist, ob ein bestimmtes Vorgehen richtig oder falsch ist. Man kann Zweifel in zwei Kategorien einteilen: konstruktiv, wenn es um die Wahrheitsfindung geht, und destruktiv, wenn er unberechtigterweise Selbstzweifel hervorruft.

Ein Realitätscheck ist unerlässlich, um die Berechtigung eines Zweifels zu ermitteln. Dieser Abgleich ermöglicht es uns, zu entscheiden, ob wir auf unsere Bedenken hören sollten oder nicht. Es erfordert Mut, sich seinen Zweifeln zu stellen, und manchmal auch Demut, zuzugeben, dass man Zweifel hat. Doch es ist wichtig zu verstehen, dass Zweifel nicht zwangsläufig negativ sind. Oft können sie als Wegweiser dienen und uns dazu bringen, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Tatsächlich ist Zweifel oft der erste Schritt zur Wahrheit.

In der Bibel werden wir ausdrücklich ermahnt und ermutigt, konstruktiv zu hinterfragen. Wir dürfen Fragen stellen und auch mal zweifeln. Ein Glaube, der keine Zweifel zulässt und in dem Fragen unerwünscht sind, kann nicht authentisch sein. Diese Authentizität bildet die Grundlage für eine glaubwürdige und stabile Beziehung zu Jesus. Zweifel und spirituelle Erfahrungen schliessen einander nicht aus.

Glauben heisst, sich anzuvertrauen
Jesus forderte einen Vater, der für seinen kranken Sohn um Heilung bat, dazu auf, nicht auf seinem Unglauben sitzen zu bleiben und ihm zu vertrauen. Der Vater schrie: «Ich glaube; hilf meinem Unglauben!» (Markus 9,24) Jesus nimmt unseren Unglauben und Zweifel ernst, so wie er auch den zweifelnden Thomas ernst nahm. (Johannes 20,24-29) Wie Thomas dürfen auch wir unsere Zweifel zu Jesus bringen und durch ihn die nötige Unterstützung finden. Der erwähnte Vater erkannte diese Wahrheit, als er sagte: «Ich glaube; hilf meinem Unglauben!» Er erkannte, dass sein Glaube allein nicht ausreichte und er die Hilfe Jesu benötigte.

Glauben bedeutet, sich anzuvertrauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das grösste Lob, das wir Jesus geben können, ist, zu sagen: «Ich vertraue mich dir an.»

In Zeiten der Krankheit habe ich erkannt, dass mein Leben auch anders sein darf, als ich es mir manchmal wünschte, und dass auch mein Bild von Gott anders sein darf, als mein Glaube es mir erlauben will. Oft sind es gerade die schweren Zeiten, die Ängste, Zweifel, Kämpfe und Fragen, die uns den Weg zu Jesus ebnen. Für mich ist es hilfreich, mich dabei nicht nur auf meinen eigenen Glauben zu verlassen – sondern auf die unerschütterliche Treue Jesu. Wenn ich mich nur auf meinen «kleinen» Glauben konzentriere, laufe ich Gefahr, mich im Kreis zu drehen. Daher richte ich meinen Blick auf Jesus, der vielleicht nicht alle meine Wünsche erfüllt, aber alle seine Verheissungen hält. Je tiefer ich in sein Wort, die Bibel, eintauche und Zeit in seiner Gegenwart verbringe, desto klarer wird mir seine unermessliche Grösse bewusst. Es geht nicht darum, wie gross mein Glaube ist, sondern darum, an die Allmacht und Grösse Gottes zu glauben. Wenn mein Fokus nicht auf der Grösse meines Glaubens, sondern auf Gottes Allmacht liegt, dann finden auch Wunder ihren Raum. Er hat die Kraft, Wasser in Wein zu verwandeln. Auch wenn ich nicht verstehe, wie er das tut, zweifle ich nicht an seiner Fähigkeit dazu.

Das Gute im Leid entdecken
Die Geschichte lehrt uns, dass aus Leid viel Gutes entstehen kann. Gerade deshalb möchte ich trotz, oder vielleicht gerade wegen, meinen herausfordernden Umständen das Beste aus meiner Situation machen. Dazu frage ich mich: «Was ist meine Mission? Welche Ziele verfolge ich?»

In den schwierigsten Momenten meines Lebens war ich mir selbst am nächsten, durch innere Kämpfe, die meine Seele und meinen Geist gestärkt, meine Wahrnehmung geschärft und meine Entscheidungsfindung verfeinert haben. In diesen Augenblicken schien Gottes Licht besonders hell. Da war eine Nähe und Geborgenheit, die mich umgab – eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Leid mag beängstigend sein, aber es kann auch eine Gelegenheit für Begegnungen sein. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: «Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir benötigen. Er gibt sie jedoch nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.» In seiner Gnade finde ich alles, was ich brauche. Gott hat uns nicht versprochen, dass unser Leben stets reibungslos verläuft, aber er hat zugesichert, gerade in schwierigen Zeiten an unserer Seite zu sein. Wenn er Leiden zulässt, geschieht dies mit einem bestimmten Zweck. Vielleicht hätte ich die Menschen nie so berühren oder ihnen von meinem Glauben erzählen können. Wenn wir glauben, dass Segen bedeutet, ohne Schwierigkeiten zu sein, werden wir letztendlich ins Straucheln geraten. Die Suche nach Gemeinschaft mit Jesus in den Herausforderungen des Lebens, in denen Ohnmachtsmomente eine Rolle spielen, ermöglicht das Heranwachsen eines reifen und gesunden Glaubens. Erst durch das Wechselspiel zwischen Ohnmacht und Vollmacht wird der Nährboden für einen tragfähigen Glauben gelegt.

Gemeinschaft kann uns dabei unterstützen, Zeiten der Ohnmacht zu überwinden, zu wachsen und ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln. Der Philosoph Karl Jaspers (1883–1969), der möglicherweise auch an CF litt, bemerkte: «Gesunde können Kranke oft nicht vollständig verstehen. Sie neigen dazu, kranke Menschen in ihrem Lebensstil, ihrem Verhalten und ihren Leistungen zu beurteilen, als wären sie ebenfalls gesund. Sie erkennen möglicherweise nicht die wahren Leistungen im Kampf gegen die Krankheit und schätzen diese nicht angemessen, weil sie ihnen unbekannt sind.»

Dort, wo wir von der Sorge um uns selbst befreit sind, öffnet sich Raum für die anderen. Wenn wir nicht ständig den Sinn unserer Existenz konstruieren und absichern müssen, können wir sie ohne Angst gestalten und bereichern. Vielleicht nicht in dem Ausmass, wie wir es uns wünschen würden, aber entsprechend unseren individuellen Ressourcen und Umständen. Eines jedoch können wir alle weitergeben – Liebe.

Wenn es uns gelingt, unsere Identität stärker mit Jesus und weniger mit den äusseren Umständen zu verknüpfen, wird unser Glaube gefestigt und unsere Lebensausrichtung von innerer Beständigkeit und Klarheit geprägt sein.

 

Zur Person
Markus Hänni ist ein lebenslanger Lernender, gewürzt mit Humor und reich an Kreativität; dankbarer Vater zweier Töchter und erfüllter Ehemann. Tauchen Sie in seine Bücher ein und entdecken Sie mehr!
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Von Alex Fröhlich

Oft handeln wir gegen alle Logik. Wir wissen etwas und tun das Gegenteil. Um diese Spannung sprachlich auszudrücken, haben wir im Deutschen ein Wort: «trotzdem». Berufsbedingt stolpere ich beim Lesen, Schreiben und Korrigieren oft über dieses Trotzdem – und bin begeistert davon. Denn der Begriff wirft mehr Fragen auf als er Antworten gibt. Ein Plädoyer für ein äusserst nützliches Wort.

Eines meiner Lieblingswörter der deutschen Sprache ist «trotzdem». Und dies bei einer Auswahl von 148 000 Wörtern, die aktuell im Duden verzeichnet sind. Warum? Der Duden beschreibt die Bedeutung des Wortes mit «ohne Rücksicht darauf zu nehmen». Dabei gibt das Wörterbuch ein Beispiel für die Verwendung: «Sie wusste, dass es verboten war, aber sie tat es trotzdem.» Nehmen wir an, ein Schild besagt «Bitte den Rasen nicht betreten», und besagte Dame betritt ihn trotzdem – ohne Rücksicht auf dieses Verbot. Wow! Warum tut sie dies? Als Aussenstehende wissen wir es nicht. Was wir aber wissen: Das Trotzdem macht den Satz spannend. Rätselhaft. Ich finde: Mit «trotzdem» kann man problemlos die grössten Widersprüche unter einen Hut bringen. Zumindest sprachlich. Und deshalb plädiere ich dafür, dass «trotzdem» mal zum Wort des Jahres, nein, zum Wort der deutschen Sprache gewählt werden müsste.

Den erwachsenen Schülerinnen und Schülern, die bei mir Deutsch lernten, erklärte ich die Funktion des Adverbs – und seines Pendants, der konzessiven Subjunktion «obwohl» – jeweils mit folgendem Beispiel: «Es regnet. Trotzdem geht er draussen spazieren.» Die Deutschlernenden sollten sich fragen: Hä? Warum? Im ersten Satz wird eine Erwartung aufgebaut: Es regnet und draussen wird man tropfnass. Und mit unserem Trotzdem widerspricht der zweite Satz dem ersten: Moment, der Mann geht trotzdem spazieren. Ist das nicht unlogisch? Genau.

Und dann wird uns klar: Mit «trotzdem» kann man wunderbar Erwartungen brechen, Widersprüche aufzeigen, der ersten Aussage etwas positiv oder negativ entgegenstellen. «Trotzdem» – so könnte man sagen – drückt sprachlich aus, wie wir Menschen manchmal ticken: überraschend und widersprüchlich. Ja, wir handeln so oft – mit oder ohne Absicht, scheinbar oder tatsächlich – paradox. Und trotzdem mögen wir Menschen Widersprüche eigentlich nicht, suchen Harmonie und Klarheit. Doch wenn wir ehrlich sind, dann entdecken wir Widersprüchliches in uns. Wir essen lustvoll Schokolade, aber meiden sie zugleich; wir wissen etwas, handeln aber anders; fühlen dies, sagen jedoch das. Selbst Paulus kennt das Dilemma und schreibt in der Bibel über sich und uns: «Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.» (Römer 7,15)

Den Gründen auf der Spur
Vermutlich sind die tieferen Hintergründe fürs Trotzdem trotzdem nicht widersprüchlich. Übers «Warum-tunwir- das-Eigentlich» gibt uns das Adverb nicht direkt Auskunft. Klar, das Wort selbst zeigt ein mögliches Motiv: «Trotz»-dem. Ich erinnere meinen 5-Jährigen daran, nach dem WC die Hände zu waschen. Trotzdem macht er es nicht. Aber nicht nur Kinder, auch ich kenne das bei mir nur allzu gut: stolz, stur, wütend, rebellisch. Doch die Gründe fürs Trotzdem sind vielfältiger. Manchmal rational, manchmal irrational. Manchmal aus Liebe, manchmal aus Eigennutz, manchmal aus Not. Aber sicherlich menschlich. Über die Chefin lästern und sie aus Angst trotzdem lieb grüssen. Als Autobesitzer aus Überzeugung trotzdem täglich Velo fahren. Krank sein und trotzdem pflichtbewusst arbeiten gehen. Einen Friedensvertrag unterschreiben und trotzdem machthungrig ein Land überfallen. Pünktlich sein und aus Vergesslichkeit trotzdem zu spät kommen. Den Freund lieben und ihn trotzdem verlassen – aus Selbstschutz. Und natürlich gibt es auch zahlreiche, fast unmenschliche Beispiele, die Mut, Weisheit oder einen starken Willen voraussetzen. Aus Widerstandswillen sich trotzdem mutig gegen das NS-Regime stellen. Zivilcourage wie die von Sophie Scholl oder Graf von Stauffenberg beeindrucken mich.

Andersartig unlogisch
Ich muss meine Augen auch bei gewissen Beispielen reiben, die irgendwie andersartig motiviert, nicht menschlich erklärbar sind. Beispiele von Leuten, denen ich begegne und die mich aus den Socken hauen. Einmal besuchte uns in der Kirche Ursula Link* aus Deutschland. Sie vergab dem Mörder ihrer Tochter! Wie bitte? Ein Mann missbraucht und ermordet brutal ihre 16-jährige Tochter. Die Mutter trägt einen tiefen Schmerz in Seele und Körper. Schlafstörungen. Suizidgedanken. – Und trotzdem vergibt sie ihm. Versöhnt sich mit ihm. Besucht ihn im Gefängnis. Steckt da Trotz, Angst, Stress, Vernunft, ein starker Wille oder was dahinter? Allein die Zeit, die Wunden heilt, ist es auf jeden Fall nicht, wie sie selbst sagt. Was dann?

Der «Trotzdem-Star» für mich als Christ ist – und das kommt jetzt wenig unerwartet – Jesus. Die Bibel zeigt mir den ultimativen «Trotzdem-Master». Gegen jegliche Logik, gegen jede Erwartung hält der Sohn Gottes die andere Wange auch noch hin, schenkt entwürdigten Frauen Würde, weist hochstudierte Experten in die Schranken, segnet seine Feinde, feiert mit Verachteten Feste – und opfert sich schlussendlich für uns Menschen am Kreuz.

Ja, für uns Menschen, die wir Jesus zwar kennen – und ihm trotzdem nicht voll vertrauen.

Da kommen mir die Zeilen aus dem Lied «Wo ich auch stehe» von Albert Frey in den Sinn: «Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst. Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.» Das macht mich dankbar. Der Schöpfer der Universen kennt mich kleinen Menschen, mich oft widersprüchlichen, trotzigen, eigensinnigen Menschen – und trotzdem liebt er mich, ist er mir nahe. Wow! Warum tut er dies?

Wahrscheinlich nennt man den Grund für dieses hingebende Trotzdem von Jesus am Kreuz, für diese überraschende «Trotzdem-Liebe» des Schöpfers: «Gnade». Unverdient. Unlogisch. Und wer sie erfährt, dessen Leben wird auf den Kopf gestellt. Menschen in der Bibel, die Jesus begegnet sind, erlebten das. Vermutlich ist sie genau dieses himmlische Motiv, das hinter solchen Menschen und ihren Geschichten steckt, die mich so faszinieren. Davon erzählt auch Ursula Link, die nach dem Tod ihrer Tochter Jesus kennenlernt, seine Hilfe annimmt, ein neues Leben mit ihm beginnt. – Und zu fast schon unglaubwürdigen «Trotzdem»-Taten befähigt wird. Echt. Erlebbar. Und trotzdem rätselhaft.

 

Zur Person
Alex Fröhlich ist Lektor und Kundenberater bei ERF Medien, verheiratet mit seiner Traumfrau und Vater zweier Söhne. Er hat Germanistik, Geschichte und LfM studiert und hegt eine Leidenschaft für Sprache, Bildung, Filme, Bücher und Kabarett.
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Von Sibylle Schlatter

Kürzlich bin ich in der Bibel wieder einmal der Frau begegnet, die zwölf Jahre lang an Blutungen litt. Und damit gleichzeitig dem Synagogenvorsteher Jairus, der Jesus um Hilfe angefleht hat, weil seine Tochter im Sterben lag. (Markus 5,21-43) Markus verwebt ihre Geschichten miteinander. Da ist auf der einen Seite eine Frau, die sich mutig unter die Menge um Jesus mischt und vertrauensvoll sein Gewand berührt. Beides wäre ihr nicht erlaubt gewesen, da sie aufgrund ihrer Krankheit als unrein galt und in der Folge jegliche sozialen Kontakte und erst recht Berührungen zu vermeiden hatte. Dennoch: Sie wird sogleich geheilt. Jesus stellt sie ganzheitlich wieder her und spricht ihr zu: «Tochter, dein Glaube hat dich gerettet.» In der Zwischenzeit erreicht Jairus die Nachricht vom Tod seiner Tochter, doch Jesus fordert ihn auf: «Fürchte dich nicht, glaube nur!» Und tatsächlich erweckt Jesus das junge Mädchen zum Leben.

Als mein Mann und ich uns vor etlicher Zeit – unsere erste Tochter war gerade ein Jahr alt geworden – ein weiteres Kind wünschten und ich Monat für Monat nicht schwanger wurde, versuchte ich mir zunächst auch zuzusprechen: Glaube nur! Doch allmählich wuchsen meine Verzweiflung und die Traurigkeit. Mal gelang es mir mehr, mal weniger, an meiner Überzeugung und am Vertrauen festzuhalten, dass Gott ein menschenfreundlicher Gott ist, der nicht mein Unglück sucht, sondern mich liebend ansieht.

Mit der Zeit schliesslich verwandelte sich der anfängliche Zuspruch in Fragen: Glaube ich nicht «richtig»? Glaube ich nicht genug?

Die zitierten Verse aus dem Markusevangelium haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur bei mir. Ich erahne, dass sie bis heute in ihrer Wirkung viel Leid anrichten, wenn sie zu Aussagen führen wie: «Du musst nur mehr (oder richtig) glauben, dann wirst du gesund, dann wird deine zerbrochene Beziehung wieder ganz, dann findest du eine Arbeitsstelle etc.» Als wäre der Glaube eine Zauberformel oder ein Rezept mit «Geling-Garantie».

So einfach ist die Gleichung nicht! (Dass ich heute Mutter bin von vier Kindern, ist für mich denn auch einfach ein Geschenk.) Wir dürfen nicht vergessen: Gottes Reich ist angebrochen, aber noch nicht vollendet. Im Leben der Frau mit den Blutungen und im Leben der Tochter des Jairus hat Jesus dieses Reich durch sein heilsames Eingreifen «schon jetzt» aufleuchten lassen. In unserer Lebensrealität erfahren wir demgegenüber oft, dass Gottes Reich «noch nicht» sichtbar ist. Was dann? Ich habe den Eindruck, dass das, wovon Markus berichtet, gerade für solche Situationen einen hoffnungsvollen (und keinen billigen!) Trost beinhaltet. So lese ich die Geschichten von der Auferweckung des jungen Mädchens und der Heilung dieser geplagten und isolierten Frau nicht nur als individuelle Heilungsgeschichten. Ich sehe sie darüber hinaus als «Hinweisschilder ». Als solche führen sie mir vor Augen, dass Jesus stärker ist als jede Krankheit, stärker als alles Leid, stärker als der Tod gar. Diese Hoffnung hilft mir, trotz dem manchmal schwierig zu ertragenden «Noch-nicht» vertrauensvoll weiterzuglauben.

 

Zur Person
Sibylle Schlatter (45) beschäftigt sich als Laienpredigerin gerne mit theologischen Fragen und biblischen Zusammenhängen. Die Ethnologin arbeitet Teilzeit beim Parlamentsdienst des Grossen Rats Aargau. Sie ist verheiratet und Mutter von vier Kindern.

 

Serie «Gott ist …»
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.
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Der Bibeltext in dieser Episode ist Kolosser 3,13: «Streitet nicht miteinander und seid bereit, einander zu vergeben – selbst wenn ihr glaubt, im Recht zu sein. Denn auch Christus hat euch vergeben.»

Streiten gehört zum Leben. Wo sich Menschen treffen, sich austauschen und diskutieren, da darf es auch mal knallen. Oder doch nicht?

Paulus ermahnt die Gläubigen in Kolossä, dass sie auf jeglichen Zwist verzichten sollen. Doch: Ist das nicht realitätsfern und vielleicht sogar gefährlich?

Host Joni Merz philosophiert darüber mit seinen Gästen Matt und Rahel Studer. Nach einer kleinen Wortstudie landen sie dort, wo es relevant wird: mitten im privaten Alltag.

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Expertinnen und Experten
Rahel Studer ist Musikerin, Sängerin, Ehefrau und Mutter zweier kleiner Jungs. Als Stadtwinterthurerin ist sie viel mit ihrem geliebten Holland-Velo unterwegs. Meist mit einem beladenen Anhänger im Schlepptau – auf dem Weg in die Natur oder zum Konservatorium Winterthur. Als Gesangslehrerin teilt sie ihr Herz und Können für das Singen und tolle Songs mit anderen.

Die Singer-Songwriterin schreibt Lieder für ihre Band «Milya». Tiefe Lyrics, schöne Melodien und Harmonien faszinieren sie. Gott ist ihr Fundament und Jesus die Versicherung seiner Liebe zu ihr. Er ist das Absolute, auf das sie sich verlassen kann.

Matt Studer ist eine Mischung aus freischaffendem Musiker, Musiklehrer und Theologe. Zudem (oder vielleicht besser vor allem) ist er mit Rahel verheiratet und zusammen haben sie zwei Söhne.
Er ist ein Nachdenker und Tieftaucher und etwas davon bringt er auf seinem Blog zum Ausdruck. Wenn er nochmals von vorne anfangen könnte, dann würde er wohl Weltenbummler und Bibelschmuggler werden.

Blog mindmatt https://www.mindmatt.com/
Milya Bandwebsite http://www.milyamusic.ch/

Host
Joni Merz

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«Instrumente hatten in unserer Kirche keinen Platz», sagt Devon Martin. Trotzdem liebt er es, mit seiner Gitarre zu musizieren und Gott zu loben. Dass dies für Devon möglich wurde, ist das Ergebnis einer langen Glaubensreise.

Devon Martin wuchs in einer 7-köpfigen Familie in der Nähe von Toronto in Kanada auf. Seine Kirche war sein Lebensinhalt: «Unser ganzes Leben drehte sich um die Kirche.»

Dies beinhaltete unter anderem auch, dass Freunde von ausserhalb nicht gerne gesehen waren. «Dabei sagt die Bibel doch, dass wir Salz und Licht für die Welt sein und nicht nur geschlossen leben sollen», ist Devon überzeugt.

Die vielen Regeln und Traditionen in seiner Kirche engten ihn zunehmend ein und er begann immer mehr zu hinterfragen. «Unsere Predigten hatten mehr damit zu tun, wie wir leben sollten, als damit, was in der Bibel steht.» Bereits als Jugendlicher wusste er: «Diese Lebensweise ist nichts für mich.»

So kam es, dass er mit 18 Jahren seine Sachen packte und 16 Stunden gen Norden zog, um dort mit Jugendlichen zu arbeiten. Das habe sein Leben nachhaltig verändert, so Devon: «Zum ersten Mal konnte ich ohne den Druck meiner Kirche und Familie leben und selbst Entscheidungen treffen.» Eine davon war, dass er seine Gitarre mit in die Kirche nahm – mit anderen für Gott musizierte und auch eigene Lieder schrieb.

Dies brachte ihn dazu, ein paar Jahre später für zwei Jahre das Hillsong Collage in Australien zu besuchen, um dort sein Musik- und Theologie-Wissen zu vertiefen. «Da traf ich auch meine schöne Schweizerin – meine Frau», ergänzt Devon und lacht. So kam er in die Schweiz, gründete eine Familie und baute nach einiger Zeit eine eigene Kirche auf. Eine, in der Glaube einfach sein soll, wie es Devon heute wichtig ist: «Es soll nur um Gott gehen – ohne die Regeln darum herum.»

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