Immer wieder kommt es zu Gewalt an Senioren und Seniorinnen. Laut einem Bundesratsbericht aus dem Jahr 2020 sind über 300 000 Menschen ab 60 Jahren von Gewalt betroffen.
Beatrice Kübli ist Projektleiterin bei der Schweizerischen Kriminalprävention. Sie erklärt, dass bei einer Pflegebedürftigkeit der Senioren die Gefahr von Gewalt höher ist. Das hänge häufig mit einer Überforderung zusammen, gerade bei dementen Personen, welche anders reagieren und sich in ihrer Persönlichkeit verändern. Wenn beispielsweise ein erwachsenes Kind sich um einen pflegebedürftigen Elternteil kümmert und gleichzeitig eine Familie und einen Job hat, dann sind die Ressourcen eher knapp und die Geduld begrenzt.
Gewalt im Alter ist jedoch ein Tabuthema, entsprechende Fälle werden viel zu selten gemeldet. Die Senioren befürchten, dass sie dann in ein Pflegeheim müssen. Ein weiterer Grund ist ihre Mentalität, erklärt Kübli: «Es ist eine Generation, die sich noch sehr gewohnt ist, Probleme in der Familie oder selbst zu lösen.» Sie würden eher nicht zu einer Behörde oder Institution gehen, um Hilfe zu holen. Zudem sind die Senioren früher selbständig gewesen und befinden sich nun wegen der nachlassenden Gesundheit in einem Abhängigkeitsverhältnis. Das macht es schwieriger, Hilfe zu holen.
Kübli empfiehlt, sich beim Kompetenzzentrum «Alter ohne Gewalt» zu melden, wo Fachleute aus verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. «Wenn man sich zusammen an einen Tisch setzt, findet man Lösungen, welche man sich allein nicht vorstellen konnte.» Denn manchmal braucht man jemanden mit einem Aussenblick, der einem die Optionen überhaupt einmal aufzeigt.