Von Patrick Schwarzenbach
Die Auszeit wird häufig mit Erholung gleichgesetzt. Dass es in ihr aber noch eine tiefere Ebene gibt und sich in ihr eine belebende Erfahrung Gottes machen lässt, geht in unseren Breitengraden manchmal vergessen.
«Die Welt ist grösser im Sommer», so hiess es einmal in einer Ausstellung des Künstlers Yves Netzhammer. Unser Bewegungsradius und unser Innerstes werden weiter in der warmen Jahreszeit – besonders in den langen Ferien.
Vielleicht hat es mit der Erholung zu tun, vielleicht aber auch mit der spirituellen Tiefe dieser Zeit. Nicht ohne Grund ist der Ursprung des Wortes «Ferien» ein religiöser: Die «feriae» waren bei den Römerinnen und Römern die Ruhetage, in denen sie sich in der Auszeit des Alltags dem Göttlichen zuwenden konnten. Noch heute ist in den katholischen Kantonen der Schweiz und in den katholischen Bundesländern Deutschlands diese enge Verknüpfung zwischen freiem Tag und Feiertag spürbar.
Aber nicht nur dort – unsere ganze christliche Tradition beginnt mit einer Auszeit: Bevor er öffentlich zu wirken begann, begab sich Jesus für 40 Tage in die Wüste. Dort begegnete er der Stille und dem Bösen, dort konnte er fasten und beten. Und diese Form der Auszeit pflegte er ein Leben lang. An vielen Tagen, bevor die Geschäftigkeit des Tages anfing, zog sich Jesus in die Stille zurück, um zu beten – so wissen es die Evangelien.
Für mich persönlich ist die Erfahrung Gottes eng mit diesen stillen Morgenstunden verknüpft – ob betend auf dem Sitzkissen, bevor die Kinder und der Lärm erwachen; im Wald und am Zürichsee, wenn der Kopf noch langsamer ist als das Herz; oder beim Kauen eines Bibelwortes, das dann vielleicht eines Tages eine Predigt wird.
Es ist in diesen frühen Stunden, welche ein wenig aus der Zeit fallen, in denen es dann auch passieren kann, dass die Liebe und die Weite Gottes in mir erwachen und ich mit jeder Zelle erfahre, dass ich von dieser Urkraft des Universums geliebt bin – wie ein Sohn. Es ist in diesen Momenten, in denen die Auszeit auf wunderbare Weise zu einem Aus der Zeit wird. Die Nöte von gestern und die Sorgen von morgen sind nicht mehr da und alles, was jetzt gerade ist, ist pure Präsenz. Ein ewiges, liebevolles Jetzt. Eine Erfahrung Gottes.
Zur Person
Patrick Schwarzenbach ist reformierter Pfarrer, liebt die Familie, seine Freunde und das Erfahren Gottes in der Bibel, in der Stille und in der Natur.
Serie «Gott ist …»
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.