Von Bensch Sager
Ich finde das Konzept des Theologen Byung-Chul Han aus seinem neuen Buch «Palliativgesellschaft» spannend. Han thematisiert dort in seiner Analyse des modernen Lebens die vorherrschende Algophobie (Angst vor dem Schmerz).
Han argumentiert, dass die immer weiter sinkende Schmerztoleranz in unserer Gesellschaft zu einer dauerhaften Anästhesierung führt. Schmerzhafte Zustände werden wenn immer möglich vermieden.
Er sieht einerseits die Opioidkrise mit Fentanyl und Crystal Meth als eine Konsequenz dieser Algophobie, andererseits auch wie wir mit der Digitalisierung umgehen. Wenn wir Schmerzen erleben, ist der Griff zum Smartphone quasi vorprogrammiert.
Mich hat die Analyse von Han ziemlich getroffen. Ich sehe Algophobie nicht nur in meinem Leben: Sie ist omnipräsent. Im säkularen Umfeld ist die Antwort auf Schmerz oft «mehr arbeiten», «Netflix» oder «Nihilismus». Im christlichen Umfeld werden platte Erklärungen verbreitet, warum ein liebender Gott Schmerzen zulassen kann, statt die Schmerzen auszuhalten.
Aus psychologischer und theologischer Sicht bin ich davon überzeugt, dass eine positive Spannkraft für den Schmerz entscheidend ist. Eine der zentralsten Geschichten des Christentums ist nicht dopamingeladen oder schmerzlos, sondern leid- und schmerzvoll: Jesus Christus am Karfreitag am Kreuz.
Mein Mentor sagte mal: «Niemand kommt ungeschoren durchs Leben». Wir alle werden Schmerzen erfahren. Umso wichtiger ist es, dass wir einen guten Umgang mit ihnen lernen.