Mit neun Jahren hatte ich meine Traumfrau schon gefunden. Eine Schauspielerin mit den legendären zwei Buchstaben CC (es darf geforscht werden). Mit zwölf Jahren schien es mir doch realistischer zu sein, meine Gefühle in meine Schulbank-Nachbarin zu investieren. Marina hiess sie. Die Schuljahre waren plötzlich mit Inhalt und Tagträumen erfüllt. Ich habe zwar nicht mehr gelernt, war aber dafür gerne da.
Hatte ich Lebensträume? Vor allem berufliche: Arzt, Schauspieler, Radio-Reporter waren die häufigsten. Roman-Figuren liessen später Lebensträume aufkommen wie «Der grosse Gatsby» von F. Scott Fitzgerald. In diesem Roman verfolgt der Protagonist Jay Gatsby den Traum vom Aufstieg in die High Society, um seine grosse Liebe zurückzugewinnen. Oder «Don Quijote» von Miguel de Cervantes. Don Quijote träumt davon, als edler Ritter Abenteuer zu bestehen und die Welt zu verbessern.
Als Radio-Moderator und später im TV-Talk FENSTER ZUM SONNTAG waren Lebensträume immer wieder im Zentrum der Geschichten unserer Gäste. Viele träumten davon, anderen zu helfen, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu haben und etwas Gutes zu bewirken. Die eigene Berufung zu finden und Gottes Weg für ihr Leben zu entdecken, stand weit oben auf der Hit-Liste. Aufgefallen ist mir, dass der Traum, seine kreativen Fähigkeiten auszuleben, sei es in Kunst, Musik, Schreiben oder anderen kreativen Bereichen, für viele Menschen von enormer Bedeutung ist.
Doch manchmal platzen Lebensträume. Selbstzweifel, Angst vor dem Versagen oder Ablehnung sind dann oft Hinderungsgründe, wieder aufzustehen und seine Träume zu verfolgen. Das ständige Vergleichs-Denken durch Social Media ist dabei auch nicht gerade förderlich. Weitere nicht zu unterschätzende Faktoren, die das Verfolgen von Lebensträumen erschweren oder verhindern, sind unvorhergesehene Ereignisse, Krisen oder äussere Umstände. Die Verwirklichung von Lebensträumen erfordert oft Geduld, Durchhaltevermögen und Ausdauer und wenn Menschen diese verlieren, geben sie oft auch ihre Träume auf.
Das Scheitern von Lebensträumen muss aber nicht zwangsläufig das Ende bedeuten. Oftmals können Rückschläge und Hindernisse als Lernmöglichkeiten betrachtet werden, um neue Wege zu finden oder die Träume anzupassen. Auch das muss gesagt werden: Brüche gehören zum Leben. Sie bedeuten nicht, dass gerade alles zusammenbricht.
So merkwürdig es klingt: Mich interessieren eigentlich vor allem Menschen mit Brüchen im Leben. Nicht die Dauer-Lächler oder die bis zur Schmerzgrenze Optimistischen, Instagram-Optimierten und realitätsfremden Besserwisser, die überall anzutreffen sind, auch in Kirchen und Gemeinden.
Gerade wenn Träume zerbrechen, wird das Thema Versöhnung wichtig. Dazu gehört Akzeptanz. Ich gebe zu, dass ich mir mein Leben da und dort anders vorgestellt habe. Dass ich einiges erreicht habe, aber auch immer wieder den eigenen Erwartungen nicht genügend entsprach. Was aber sehr tröstlich ist: Gott ist auch im Scheitern zu finden. Scheitern kann der Startpunkt eines neuen Anfangs sein – vielleicht auch der Beginn eines neuen Lebenstraumes.