Positives Denken wird im Umgang mit Sorgen und Problemen gerne als wichtige Ressource gesehen. In Büchern und auf zahlreichen Social-Media-Profilen finden sich Tipps, wie wir mit Hilfe von Optimismus und positiven Gedanken ein besseres Leben führen können.
Einen anderen Weg gehen die jüdische Kultur und Tradition. Dort hat Klagen einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich an Traditionen wie dem Jüdischen Feiertag Tischa Be’Aw, an dem gefastet und getrauert wird, an der Klagemauer in Jerusalem oder auch an der stark ritualisierten Trauerzeit nach dem Tod naher Angehöriger.
Klagen sei in der jüdischen Kultur eine laute Angelegenheit, erklärt der Leadership-Autor und gebürtige Jude Thomas D. Zweifel. Man dürfe seinen Emotionen Ausdruck verleihen und sich ihnen ganz hingeben. Dieses Klagen sei hilfreich für die Psychohygiene, und es helfe auch dabei, irgendwann dann einen Punkt zu machen und mit der Trauer abzuschliessen.
Zudem sei Klagen stets verbunden mit Erinnern. Man erinnere sich an Geschehenes – sei es bei der Zerstörung des Tempels vor 2000 Jahren, an den Holocaust, oder an geliebte, verstorbene Menschen. Nach einem Todesfall in der Familie beispielsweise wird nach der Beerdigung 7 Tage lang Schiv’a gesessen. Dabei sitzen die Trauernden auf niedrigen Hockern und erinnern sich an all das Schöne und Positive aus dem Leben des verstorbenen Menschen. Dieses Erinnern empfindet Thomas D. Zweifel als enorm tröstlich.
Klagen gehöre aber nicht nur in Zeiten der Trauer zum jüdischen Alltag. «Klagen ist sozusagen eingebaut», sagt Zweifel, «man schaut ständig auf das, was nicht gut läuft». Das habe allerdings weniger mit Pessimismus zu tun als vielmehr mit einer Art «heiligen Unzufriedenheit». Man habe eine Vision vor Augen und sei stark angetrieben vom Wunsch, sie zu erreichen. Wenn diese Unzufriedenheit gepaart werde mit Aktion, dann sei sie ein starker Treiber für Innovation oder den Kampf gegen Missstände.
Thomas D. Zweifel erlebt Klagen als eine Art Läuterung und hilfreich für die mentale Gesundheit. «Das jiddische Wort für klagen lautet ‹quetschen›», erläutert er. «Das kommt direkt von «herauspressen». Ich presse also das Negative – das, was mir nicht passt – heraus. Ich «motze» und bin unzufrieden, aber es ist eigentlich eine Reinigung, man presst aus sich heraus, was einem nicht passt. Und dann kann man sich davon lösen und vielleicht auch etwas unternehmen.»
Wichtig – und in der jüdischen Tradition auch so angelegt – sei dabei, dass sie gepaart sei mit Dankbarkeit und Wertschätzung. Es gilt, eine gute Balance zu finden. «Ich glaube, man kann lernen, in dieser Spannung zu stehen. Dass man den Mut hat, zu adressieren, was nicht gut läuft. Diese heilige Unzufriedenheit über Missstände. Dass man den Finger darauflegt, wo etwas nicht funktioniert oder schiefläuft. Und dass man auf der anderen Seite aber auch dankbar ist für alles, was man hat und was einem geschenkt wurde. Ich denke, diese Spannung produziert unglaublich gute Resultate im Leben.»
Gute Beispiele dafür, wie es gelingen kann, vom Klagen auch wieder zu einer Dankbarkeit und einem hoffnungsvollen Blick zu gelangen, finden sich in den Klagepsalmen der Bibel.
Ein Beispiel davon haben wir Ihnen vertont und illustriert:
Buch «Der Rabbi und der CEO» von Thomas D. Zweifel und Aaron L. Raskin
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