Simon Weinreich
Simon Weinreich vom Netzkloster | (c) Rahel Boller

Etwas mehr als fünf Minuten Stille

Christliche Spiritualität und Achtsamkeit im digitalen Raum
 
Publiziert: 22.01.2024 23.01.2024

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Simon Weinreich im Interview mit Mathias Fontana

Jahrhundertealte klösterliche Traditionen – ist das nicht überholt? Nein, findet der «Netz-Abt» und Pfarrer Simon Weinreich. Gerade diese Beständigkeit des christlichen Glaubens könne auch in der heutigen schnelllebigen Welt Halt bieten. Im Interview erklärt er, welche positive Wirkung Meditation hat, warum es sich lohnt, dies beständig einzuüben, und wie dies auch im digitalen Raum funktionieren kann.

ERF Medien Magazin: Wir leben in einer unsicheren, schnelllebigen Welt, vieles verändert sich unglaublich schnell und als «sicher» angenommene Tatsachen verschieben sich. Was gibt Ihnen persönlich Halt?
Simon Weinreich: Ich finde das Akronym VUCA* eine hilfreiche Zusammenfassung für die aktuellen Herausforderungen, in welchen wir zurzeit leben. Die kontemplative Spiritualität hilft mir, mit diesen Herausforderungen umzugehen. In regelmässigen Zeiten der Stille kommt mein Inneres zur Ruhe, ich finde meinen Fokus wieder, werde mir bewusst, dass ich verbunden bin mit mir selber, mit meinen Mitmenschen, mit meiner Umwelt und mit Gott. Eine regelmässige Meditationspraxis stärkt somit die vier Kompetenzen, die ebenfalls mit dem Akronym VUCA abgekürzt werden können: vision = (Weit)Sicht, understanding = Verstehen, clarity = Klarheit, agility = (psychische) Beweglichkeit.
Warum ist der christliche Glaube Ihrer Meinung nach beständig und worauf können sich Menschen in unsicheren Zeiten verlassen?
Das Christentum hat in seiner mehr als 2000-jährigen Geschichte drei Dinge immer wieder bewiesen: 1. Dass Menschen im Glauben Halt und Sinn für ihr Leben finden konnten. 2. Dass Menschen daraus Hoffnung schöpfen konnten. 3. Und dass sie zur tatkräftigen Liebe angestiftet wurden. Dieser Dreiklang aus Glaube, Hoffnung und Liebe ist auch heute noch aktuell. Mich erfüllt es immer wieder mit Freude und Demut, zu wissen, dass ich mich dieser beständigen Tradition anschliessen darf und umgeben bin von einer «Wolke von Zeugen und Zeuginnen» überall auf der Welt und durch viele Generationen hindurch.
Und warum ist eine solche Beständigkeit gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit so wichtig?
Die positiven Wirkungen der Meditation entfalten sich erst, wenn eine beständige, regelmässige Übungspraxis gelebt wird. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass, wer regelmässig meditiert, er oder sie zahlreiche positive Effekte erleben kann: Förderung der emotionalen und spirituellen Intelligenz (EQ & SQ), erhöhte Resilienz, grösseres Mitgefühl, Geduld und Ausdauer in komplexen Lebenssituationen, Stärkung des Immunsystems, wachsender innerer Friede und Freiheit im eigenen Glauben durch Integration heilender Gottesbilder usw. Um diese Wirkungen zu erfahren, reicht es nicht, einmal im Monat fünf Minuten still zu sein. Es braucht eine grössere Beständigkeit und eine regelmässige Meditationspraxis.
Klösterliche Traditionen sind ebenfalls beständig, werden seit Jahrhunderten überliefert und gelebt. Wie können wir aus klösterlichem Leben Inspiration für unseren heutigen Alltag ziehen?
Gerade die Tradition der christlichen Mystik birgt viele Schätze, die in der VUCA-Welt des 21. Jahrhunderts gebraucht werden. Die Wüstenmütter und -väter, die schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in der Stille heilsame Erfahrungen gemacht haben, aber auch Mystikerinnen und Mystiker aus der Gegenwart, gehören für mich auch zur genannten «Wolke von Zeugen und Zeuginnen». Ihre Texte zu lesen und mit ihren Worten zu meditieren, ist für mich eine wichtige Inspirationsquelle.
Das Netzkloster ist eine innovative Interpretation eines traditionellen Klosters. Wie unterstützen Sie als «Netz- Abt» und als Netzkloster Menschen dabei, eine resiliente christliche Spiritualität des Alltags zu entwickeln?
Das Netzkloster ist ein digitaler Raum für analoge Meditation und Achtsamkeit. Das heisst, wir nutzen die Möglichkeiten, die sich durch digitale Medien ergeben, um eine kontemplative Spiritualität möglichst alltagstauglich zu gestalten. Das Netzkloster ist ein lebendiges Netzwerk von Menschen, die in urbanen Lebensbedingungen den alten Weg der Kontemplation entdecken und integrieren wollen. Durch regelmässige Online-Treffen zum gemeinsamen Schweigen und verschiedene Kurse schafft das Netzkloster Grundlagen für eine resiliente christliche Spiritualität.
Wie halten Sie das persönlich? Sind Sie selbst durch christliche Spiritualität und Praktiken wie Meditation und Gebet zu einer tieferen Beständigkeit gelangt?
Ich sehe mich da auf dem Weg. Schon nur die regelmässige Übungspraxis schafft Beständigkeit. Und ich merke, dass mir die Meditationszeiten helfen, mit den alltäglichen Herausforderungen in Job und Familie besser umzugehen. Die Zeiten der Stille sind Oasen im Alltag, denn ich erlebe die kontemplative Spiritualität auch als grosse Entlastung. Ich muss nichts leisten, sondern darf einfach sein vor Gott so wie Niklaus von Flüe gebetet hat:

Gebet

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir,
was mich hindert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir,
was mich fördert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen Dir.

* Die vier Buchstaben «VUCA» stehen für die englischen Begriffe:

  • volatility = Unbeständigkeit
  • uncertainty = Unsicherheit
  • complexity = Komplexität
  • ambiguity = Mehrdeutigkeit.

Über das Netzkloster
Das Netzkloster ist ein zeitgemässes spirituelles Netzwerk, inspiriert von klösterlicher Tradition. Es bietet einen Ort der Stille und Kontemplation für Menschen in urbanem Umfeld. Die Online-Treffen und Kurse stehen allen Suchenden offen, unabhängig ihrer Glaubenstradition. Netzkloster.ch ist ein Projekt der Evangelisch-Methodistischen Kirche Schweiz (EMK).

Zur Person
Simon Weinreich ist «Netz-Abt» und als solcher Leiter des Netzklosters. Hauptberuflich ist er Pfarrer und Mitglied der Geschäftsleitung der reformierten Kirche Illnau-Effretikon.

© Online-Redaktion ERF Medien
 
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