Von Peter Schulthess
«Ich hatte im Ausland einen Unfall. Dieses Ereignis war so unfassbar, dass ich gerne mit Ihnen darüber sprechen möchte.» Diese E-Mail erreichte mich vor einiger Zeit.
Noch bevor es zum Gespräch kam, weckte ein doppelseitiger Artikel in einer auflagenstarken Sonntagszeitung meine Aufmerksamkeit. Es ging um Nahtoderfahrungen. Offensichtlich musste das Thema brandaktuell sein. Zitiert wurde darin unter anderem ein deutscher Hirnforscher, der selbst einen schweren Unfall überlebt hatte. Auch er erlebte Phänomene, wie sie allgemein bei Nahtoderfahrungen beschrieben werden. «Doch», so erklärte er im Artikel, diese seien «nur eine Folge einer schweren aktuellen Gehirnschädigung. Es ist alles naturwissenschaftlich erklärbar.» Dass bei Nahtoderfahrungen etwas Übersinnliches geschehen könnte, war für ihn unwahrscheinlich.
Dann kam es zum Gespräch. Was hatte jene Person erlebt? Ein Nahtoderlebnis! Es folgten zwei weitere Begegnungen in kurzen Abständen. Seltsam, dachte ich. So unglaublich es klingen mag, ich überlegte mir, ob das ein «Wink von oben» sein könnte, um mein Interesse in eine neue Richtung zu lenken. Wie auch immer: Ich fing an, mich mit solchen Erfahrungen zu befassen.
Im Gespräch erzählte mir die im Ausland verunfallte Person: «Ich war wie in einem Kokon geschützt und ich wurde mit unendlicher Liebe durchflutet.» Mögen Nahtoderfahrungen verschieden sein, immer wieder wird von dieser Liebeserfahrung berichtet. Manche gehen zuerst durch einen Tunnel, einige begegnen danach Verstorbenen, andere haben eine Begegnung mit Lichtwesen, die sie als Engel identifizieren, wieder andere erleben sich in Gegenwart von Jesus. Man hört unbeschreiblich schöne Musik, sieht Licht oder hört eine Stimme, ohne jemanden zu sehen.
Es gibt auch Nahtoderfahrungen, die erschrecken. Doch in der grossen Mehrzahl wird von dieser unendlichen Liebe berichtet. Sollten diese unterschiedlichen Phänomene, ob schön oder schrecklich, alles Produktionen des Gehirns sein? Oder könnte nicht ein unglaublich liebender Gott hinter allem stehen, der uns so geschaffen hat, so dass solche Durchbrüche in eine andere Dimension möglich sind? Könnte es sein, dass damit gar ein Zweck verfolgt wird?
Auffallend ist nämlich: Was auch immer durch eine Nahtoderfahrung erlebt wird, beinahe immer kommt es danach zu einem Turnaround: Prioritäten werden neu gesetzt. Vor allem aber führt die Erfahrung dieses Geliebtseins trotz allem Versagen, allen Schwächen, zu einem neuen Selbstwertgefühl, weil man sich als geliebtes Geschöpf Gottes erkennt und dies wiederum führt vielfach zu einer Haltung tiefer Dankbarkeit und Ehrfurcht dem Schöpfer gegenüber.
Nahtoderfahrungen fördern oft die Überzeugung, dass das Leben einen Sinn hat und man eine Aufgabe hat. Zu beobachten ist auch, dass das Mitgefühl Mitmenschen gegenüber und die Verbundenheit mit der Schöpfung und als Folge davon ein achtsamerer Umgang wachsen. Generell nehmen Sensibilität und Feinfühligkeit zu. Im Gegenzug nimmt die Bedeutung des persönlichen Status oder was andere von einem denken ab. Auch Geld und materieller Besitz werden vielfach weniger wichtig. Deshalb kommt es oft vor, dass aufgrund solcher Erfahrungen der Beruf gewechselt wird oder man sich sozial zu engagieren beginnt. Hinter solchen Turnarounds aber steht nach meinem Glauben ein unglaublich grossartiger Gott.