Es gibt Gäste im Leben, die man nicht eingeladen hat. Und doch tauchen sie auf, ohne Voranmeldung. Zum Beispiel die inneren Kritiker. Die Stimmen, die uns Druck machen, Selbstzweifel nähren und innere Dialoge negativ gestalten.
Innere Dialoge, auch als Selbstgespräche oder Selbstmonologe bekannt, können erheblichen Einfluss auf unsere Stimmung, unser Verhalten und unsere allgemeine Lebensqualität haben. Ich habe in anspruchsvollen Lebensphasen einiges schriftlich verarbeitet. Zum Beispiel einige solcher Gästelisten ungebetener Besucher:
«Ich mache immer alles falsch.»
«Warum kann ich nicht so sein wie die anderen?»
«Das wird sowieso nicht funktionieren.»
«Warum kann ich nicht so erfolgreich sein wie sie?»
«Ich bin nicht so klug/schön/erfolgreich wie andere.»
«Alle anderen haben es leichter als ich.»
«Ich bin nicht gut genug.»
«Warum passiert immer alles mir?»
«Ich kann nichts tun; ich bin machtlos.»
Diese «Gäste» kommen und gehen in meinem Leben. Manchmal gelingt es mir, sie von Weitem zu erkennen oder schon an der Tür abzuweisen. Oder einen anderen Umgang mit ihnen zu finden.
Dabei half mir immer wieder Viktor Frankl. Der österreichische Neurologe, Psychiater und HolocaustÜberlebende, der durch sein Werk «… trotzdem Ja zum Leben sagen» bekannt wurde. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Frankl aufgrund seiner jüdischen Herkunft in mehrere Konzentrationslager, darunter Auschwitz, Theresienstadt und Dachau, deportiert. Diese traumatischen Erfahrungen prägten sein Denken über die menschliche Natur und den Sinn des Lebens. Er brachte seine Erfahrungen auf den Punkt: «Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.»
Frankl sprach auch von der «Trotzmacht des Geistes». Sinn kann selbst inmitten von Leid und Schwierigkeiten gefunden werden.
Auch der Psalm 73 ist für mich immer wieder hilfreich. Da geht es ebenfalls um einen Kampf im Inneren. Schonungslos, offen, ehrlich. Psalmen bilden immer wieder auch meine Wirklichkeit ab. Der Autor ringt um eine lebendige Beziehungsebene zu Gott; erlebt aber im Alltag eine enorme Spannung bis an den Rand der Verzweiflung.
Ich kenne diese Fallen. Der Psalmbeter vergleicht. Er nimmt Anstoss am Glück anderer, die sich keine grossen Gedanken machen über das Leben und über Gott. Und damit sogar Erfolg haben.
Heute würden sie auf Instagram die bearbeiteten Selfies posten und sich selbst feiern. Perfektion als Religionsersatz. Oder doch nur Fassade? Und nur die eine Seite der Medaille? Auf dem Laufsteg des Lebens treffe ich immer wieder auch solche, die sich zu Gott bekennen. Denen scheinbar alles gelingt. Jedes Gebet erhört wird, Ehepartner und Kinder wie aus einer Netflix-Serie aussehen.
Ich will stehen lassen und nicht vergleichen. Und mich den Gefühlen und Gedanken stellen. Wie bei Viktor Frankl, der von «Trotzmacht» spricht, gibt es beim Psalmbeter einen Wendepunkt. Vers 23: «Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.»
Dieses Dennoch macht den Unterschied. Es stellt sich dem Opfer-Rollen-Denken entgegen. Der Fokus ist wieder auf Gott gerichtet. Nicht auf Menschen. Der Neid und das Vergleichsdenken sind nicht mehr im Vordergrund. Es geht weiter.
